NEUWIED Die Vorwürfe wiegen schwer. Es geht um unterschlagene Gelder, Lehren ohne kirchliche Lehrerlaubnis und die Manipulation von Arbeitszeitkonten. So mancher spricht von einem nie dagewesen Behördenversagen. Der BEN Kurier sah sich die Fakten an. Würden Sie sich von einem ungelernten Bäcker am offenen Herzen operieren lassen? Wahrscheinlich nicht.
Und von einem Lehrer ohne Lehrbeauftragung? So etwas kann es doch gar nicht geben oder? Doch! Der Schulleiter der IGS Neuwied verfügte zu keiner Zeit über die geforderte Lehrerlaubnis im Fach katholischer Religion.
Um dieses lehren zu dürfen, bedarf es einer sogenannten Missio Canonica. Dieses ist die Erlaubnis zur Lehrbeauftragung als katholischer Religionslehrer an Schulen. Und dennoch fand sich die Bescheinigung über nahezu ein Jahrzehnt im Gliederungsplan der IGS. Aber wie kam diese dort hinein?
Wir haben dem Schulleiter niemals eine Erlaubnis zur Lehrbeauftragung als katholischer Religionslehrer erteilt. – Bistum Trier
In der Antwort auf einer kleinen Anfrage des CDU Landtagsabgeordneten Matthias Lammert an die Staatsministerin (Schulministerin), teilte diese mit, dass ihr keine Fälle einer Falschbeurkundung im Zusammenhang mit kirchlichen Lehrerlaubnissen bekannt seien. Die Pressestelle der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) sowie die Kreisverwaltung Neuwied als Träger der Schule, wollten aus Personaldatenschutzgründen keine Stellungnahme zu dieser Frage abgeben.
Wollten sie es nicht wissen oder mauerten alle? Ein Anruf beim Bistum Trier hätte genügt, um sich zu vergewissern ob der betreffende Schulleiter über die entsprechende Lehrbeauftragung verfügte.
Und dieses birgt mehrfache Brisanz. Denn für die Position des Direktors einer Integrierten Gesamtschule werden in der Regel die Qualifikation zur Lehre von zwei Schulfächern verlangt. Wie konnte es zu einer Besetzung dieser Position durch den Schulleiter kommen? Sah sich niemand die Unterlagen an?
Auch bis heute hat dieses offenbar keine Konsequenzen für den Direktor der IGS. Selbst mutmaßlich vorsätzlich falsch beurkundete Einträge im Gliederungsplan spielten für die Kreisverwaltung und ADD keine Rolle sich die Geschichte einmal genauer anzusehen.
Beurkundete der Schulleiter sich selber die Lehrerlaubnis?
Und es geht auch um die Verwaltung von Treuhandkonten. Auf Gesamtschulen werden die Schüler meistens in der Mensa verpflegt. Eine schöne Sache. Doch diese Leistung ist natürlich nicht kostenfrei. Die Eltern bezahlen für Ihre Kinder einen Beitrag für die Verpflegung. Bei diesen Zahlungen soll es zu Differenzbeträgen durch Krankheitstage bzw. Fehltage gekommen sein.
Im Laufe der Zeit sammelte sich die stattliche Summe in Höhe von 6408,76 EUR auf einem Treuhandkonto an. Gelder die den Eltern gehörten. Fraglich ist, ob die Eltern jemals über diesen Umstand Bescheid wussten oder über die Verwendung der Mittel befragt wurden. Sicher ist, dass die Gelder 2014 von einem Treuhandkonto auf eine andere Bankverbindung umgebucht wurden. Kontobevollmächtigter war erneut der Schulleiter der IGS. Doch wieso kam es zu dieser Verschiebung der Gelder?
Bargeldabhebungen vom Treuhandkonto – Wo sind die Gelder hingeflossen?
In den Jahren 2017 und 2018 kam es zu Barabhebungen an Geldautomaten in Ulmen. Außerdem ließen sich Zahlungen für Restaurantbesuche nachweisen. Diese Zahlungen werfen Fragen auf.
Die ADD in Trier erklärte dem BEN Kurier gegenüber, dass es keine Anhaltspunkte für eine persönliche Bereicherung seitens des Schulleiters gab und verwies auf eine Prüfung seitens des Trägers. Und der Träger ist wiederum der Kreis Neuwied der auf seine Stellungnahme an die ADD verwies. Zu den zahlreichen Barabhebungen äußerten sich weder die ADD noch die Pressestelle des Kreises.
In einer Faxanfrage bat der BEN Kurier, den Schulleiter der IGS Neuwied um eine schriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen. Diese Möglichkeit wurde leider nicht genutzt.
Letztlich soll der Direktor der Gesamtschule auch den Schulfrieden massiv gestört haben. Lehrkräfte und Mitglieder der Schulleitung beschwerten sich massiv darüber, dass der betreffende Direktor ein intimes Verhältnis zu einer Lehrkraft unterhalten haben soll. Diese Vorwürfe waren auch der ADD, Kreisverwaltung und dem Schulministerium bekannt.
Haben die Behörden und das Ministerium bewusst weggesehen oder versagt?
Aus einer kleinen Anfrage seitens des CDU Landtagsabgeordneten Matthias Lammert geht hervor, dass die Staatsministerin Frau Dr. Stefanie Hubig, Kenntnis über die Beschwerden hatte. Laut ihrer schriftlichen Antwort, konnte ein dienstrechtliches Fehlverhalten nicht festgestellt werden. Angeblich war es ein normales kollegiales Verhalten gewesen.
Dabei bezieht sie sich lediglich auf einen Fall im Jahre 2015. Der Landtagsabgeordnete Lammert bezog sich in der Anfrage 17/14505 auf die vergangenen drei Jahren. Darauf bezogen gab es seitens der Staatsministerin keine Antwort.
Der BEN Kurier führte mit ehemaligen und beschäftigten Mitarbeitern bzw. Lehrkräften, Gespräche zu den vermeintlichen Vorkommnissen. Einhellig schilderten die Befragten, dass der Schulleiter keineswegs diskret versuchte das Verhältnis zu verheimlichen. Im Gegenteil. Selbst den Schülern soll die mutmaßliche Affäre nicht entgangen sein.
Schulfrieden gestört? Nur ein normales kollegiales Verhältnis?
Letztendlich endet die Geschichte mit vermeintlich manipulierten Arbeitszeitkonten. Eine Mitarbeiterin der IGS soll über Jahre hinweg, nahezu täglich Veränderungen an ihrem eigenen Arbeitszeitkonto durchgeführt haben.
Eine verfrühter Arbeitsbeginn durch mögliche Vorbereitungstätigkeiten kann vorkommen. Natürlich. Doch in nahezu täglicher Regelmäßigkeit?
Eine Presseanfrage seitens des BEN Kurier an den Kreis Neuwied sowie die ADD in Trier wurde mit dem Hinweis des Personendatenschutzes nicht beantwortet. Die Staatsministerin Frau Dr. Stefanie Hubig erklärte auf die 2020 gestellte kleine Anfrage des Abgeordnete Matthias Lammert, dass ein solcher Fall bekannt sei und durch den Träger der Schule (Kreis Neuwied) geprüft wird.
Wie kam es zu den nachträglich veränderten Arbeitszeitkonten?
Offensichtlich ergab diese Überprüfung des Kreises Neuwied kein Ergebnis. Dem BEN Kurier lagen zahlreiche Unterlagen zur Einsichtnahme vor. Das Rechercheergebnis war erschreckend und deckt sich keineswegs mit den Aussagen der Aufsichts- & Dienstleistungsdirektion in Trier oder des Kreises Neuwied.
Solange die zuständigen Behörden und das Ministerium für Bildung in Mainz die Geschehnisse absegnen, braucht der Schulleiter der integrierten Gesamtschule in Neuwied keinerlei Konsequenzen zu fürchten oder vielleicht doch?